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Anfang ohne Ende

Anfangen, doch nie zu Ende führen…

Mein bisheriges Leben ist geprägt von diversen Dingen – Hobbies, Projekte, Ausbildungen, berufliche Tätigkeiten – die ich immer wieder mit höchster Motivation begonnen hatte, doch nie zu Ende brachte. Diese anfängliche Euphorie verschwindet häufig sehr rasch wieder und nicht selten mit ihr auch meine Motivation, weiter zu machen. Oft beginne ich dann alles zu vernachlässigen und irgendwann kommt es mir sinnlos vor, noch weiterzumachen und ich hör einfach auf.

 

Das ist unglaublich ärgerlich und frustrierend, da sehr vieles dabei war, das mir eigentlich so wichtig war und das ich so unbedingt wollte. Und doch hab ich es nie geschafft, dauerhaft am Ball zu bleiben.

 

Schon während der Schulzeit gab es diverse Aktivitäten, für die ich mich angemeldet hatte, die mich aber dann doch nicht weiter interessiert hatten. Gut, als Kind ist man eben neugierig, probiert vieles aus und lernt dann erst mit der Zeit, was einem wirklich gefällt und was eher nicht. Ist ja soweit nicht so selten und auch nicht verwerflich. Man wird älter, sammelt Erfahrungen und nach und nach findet man für sich heraus, was einem wirklich liegt und zusagt.

 

Doch ab einem gewissen Alter sollte man meinen, dass zumindest gewisse Entscheidungen dann auch mal tatsächlich von Dauer sind. Dass man sich tatsächlich für eine Sache entscheidet und diese dann auch abschließt. Gerade wenn es um Ausbildungen, Weiterbildungen und berufliche Entscheidungen geht, sollte man irgendwann doch die entsprechende Reife haben genau zu überlegen, was man wirklich möchte, und das dann auch konsequent durchzuziehen.

 

Mir fällt das wahnsinnig schwer. Keine Seltenheit bei einer Borderline-Diagnose. Diese Persönlichkeitsstörung ist gekennzeichnet durch sehr impulsives Verhalten, sehr spontane Entscheidungen aus dem Bauch heraus, ohne viel oder groß darüber nachzudenken. Neue Ideen oder Pläne müssen sofort umgesetzt werden, meine Motivation ist dabei oft so hoch, dass ich das Gefühl hab, nach den Sternen greifen zu können. Doch dieses anfänglich so hoch lodernde Feuer ist meist sehr rasch wieder erlöschen und kalte Asche lässt sich nicht wirklich neu entfachen.

 

So kommt es dann, wie es kommen muss: ich verlier das Interesse und hör auf.

 

Das kann völlig unterschiedliche Gründe haben, die am Ende doch all zum selben Ergebnis führen. Bei manchem war es so, dass ich die Entscheidung mehr aus einer Notwendigkeit getroffen hab und nicht wirklich, weil ich es wollte. Da war es dann sehr rasch so, dass ich schon bald keine Lust mehr darauf hatte und nur widerwillig weiter gemacht hab, bis es irgendwann aus war. Das betrifft zB einige berufliche Tätigkeiten, die ich nicht ausgeübt hab, weil ich sie so toll fand, oder unbedingt machen wollte, sondern weil ich – wie vermutlich die meisten andere auch – Geld verdienen musste. Doch das sind eben nicht die Dinge, die ich selbst tatsächlich wollte und bei denen ich mich ärgere, aufgegeben zu haben.

 

Bei vielem anderen sieht die Sache schon deutlich frustrierender und enttäuschender aus. Ich hab zahlreiche Aus- und Weiterbildungen begonnen und mitten drin abgebrochen. Und das, obwohl ich das alles wirklich machen wollte.

 

Eines davon ist die Berufsreife, eine Art abgespeckte Version einer Matura, die man ersatzweise machen kann, wenn man studieren will. Da ich genau das wahnsinnig gern wollte, jedoch die Matura nicht hatte – nach wie vor nicht hab – führte kein Weg daran vorbei. Ich begann sie zweimal, bezahlte zweimal sehr viel Geld dafür, und beide Male hab ich abgebrochen. Ich hab es oft nicht geschafft zur Abendschule zu gehen, was dazu geführt hat, dass ich den Anschluss an den Stoff verloren hab. Irgendwann hab ich es nicht mehr geschafft, das aufzuholen, bin im Unterricht nicht mehr mitgekommen und schon war es vorbei. Mir wurde dann auch sehr deutlich bewusst, dass ich kaum in der Lage wäre ein anspruchsvolles Psychologiestudium zu schaffen, wenn ich schon an einer Abendschule zweimal die Woche scheitere.

 

Auch andere Ausbildungen, die ich unbedingt machen wollte, über die ich mich unglaublich gefreut hatte, dass ich sie machen kann, und die mir Spaß gemacht haben, hab ich nach einer gewissen Zeit abgebrochen. Aus ähnlichem Grund: ich hab den Anschluss verloren, meist aufgrund depressiver Phasen, bin nicht mehr mitgekommen, hab es nicht geschafft, aufzuholen und dann ganz aufgegeben.

 

Ich bekomm sehr schnell solche Gedanken, dass es ja eh keinen Sinn hätte, dass ich mich völlig umsonst anstrenge und dass ich ja eh nie was auf die Reihe bekomm. Ich denk, das ist dann das, was man eine sich selbst erfüllende Prophezeiung nennt: ich red es mir selbst ein, handle danach und dadurch kommt es dann zu genau dem Ergebnis, mit welchem ich bereits gerechnet hatte.

 

Ein anderer Punkt, warum ich nach einer Weile die Motivation verliere, ist Geld, bzw das Fehlen eben dieses. Das betrifft dann eher private Hobbies und Projekte. Aktuell merk ich das zB sehr stark bei meinem Garten, den ich unglaublich toll gestalten will. Ich hab Woche damit verbracht, wann immer das Wetter es zuließ, daran zu werken, dass alles immer schöner wird, hab immer wieder neue Skizzen erstellt, wenn ich wieder eine neue Idee hatte. Doch im Moment ist total die Luft raus, weil ich mir so vieles, das ich noch bräuchte, zurzeit einfach nicht leisten kann. Und da sind es dann Gedanken, wie dass es ja eh sinnlos ist, mir die Arbeit zu machen, wenn ich ja doch nicht fertig werden kann.

 

Wie man durchaus rauslesen kann, ist ein nicht unerheblicher limitierender Faktor mein eigenes Selbstbild. Nachdem mir fast mein ganzes Leben lang von diversen Menschen immer gesagt wurde – und teils immer noch gesagt wird – dass ich eh nie was durchzieh und meine Wünsche und Träume sich doch eh nie erfüllen usw, hat sich das alles so in mir eingebrannt, dass ich es längst selbst glaube.

 

Was kann ich denn schon? Wozu taug ich was? Ich hätt so viele Kenntnisse und Fertigkeiten, doch alles ist nutzlos, weil ich nie etwas abgeschlossen hab und nichts nennenswertes in meinem Leben vorzuweisen hab. Ich bin mittlerweile 34 Jahre alt und hab nichts erreicht, über das es sich zu sprechen lohnt.

 

Selbst mein Unternehmen ist gescheitert. Ich war so unglaublich stolz, noch vor meinem 30. Geburtstag eine eigene Firma gegründet zu haben. Mein großer beruflicher Wunsch, auf eigenen Beinen zu stehen und mein eigener Chef zu sein, hatte sich erfüllt. Doch auch das hab ich wieder völlig in den Sand gesetzt. Obwohl mir von Anfang an klar war, dass es nicht einfach wird, dass es seine Zeit brauchen wird, um richtig zu laufen, hat mir sehr bald der Wind in den Segeln gefehlt. Es hat mich unglaublich runtergezogen, als ich mein Gewerbe ruhend melden und zum Arbeitsamt zurückgehen musste.

 

Mit jeder negativen Erfahrung, mit jedem gescheiterten Projekt und jeder verpatzten Chance fällt es mir schwerer noch irgendwie an mich zu glauben und daran, doch nochmal irgendwann einen tatsächlichen Erfolg zu haben. Ich weiß, dass ich mit 34 noch lang nicht sagen kann, mein Leben würde schon gänzlich hinter mir liegen. Und ich fühl mich auch irgendwie nicht mal annähernd so alt, wie ich laut Geburtsdatum bin. Doch ein „junger Hüpfer“ bin ich halt auch nicht mehr und für vieles, das ich in meinem Leben so gern erreicht hätte – wie zB das Psychologiestudium, welches ich mir wirklich so sehr gewünscht hatte – empfinde ich mich mittlerweile doch schon als zu alt, in Anbetracht der Zeitspanne, die es brauchen würde, gewisse Ziele auch tatsächlich zu erreichen.

 

Wenn ich mein bisheriges Leben begutachte und über meine Zukunft nachdenk, überkommt mich ein sehr beklemmendes Gefühl, nichts wert zu sein.

Natascha Schlachtner | Kali Recovery