Umzug in ein neues Leben

Geboren und aufgewachsen in der Großstadt, konnte ich mir lange Zeit nicht vorstellen, je woanders zu leben. Es war für mich auch nie nachvollziehbar, wie man freiwillig irgendwo am Land, also irgendwo im nirgendwo, leben kann. Was gibt es da? Was macht man da? Und was bringt es, wenn man dann ständig extra für vieles ohnehin in die Stadt fahren muss? Es ist doch so viel einfacher und bequemer direkt in der Stadt zu leben, wo man alles direkt um sich hat und vor allem, wo es auch so viel zu tun und zu erleben gibt.

 

Auch die Vorstellung von einem eigenen Haus mit Garten hat mich früher nie gereizt. So viel Arbeit und auch so viel Verantwortung. Alles muss von einem selbst in Stand gehalten und gepflegt werden, sofern man nicht gerade reich genug für entsprechende Angestellte ist.

 

Es ist schon erstaunlich, wie sehr sich eine Einstellung zu einem Thema verändern kann.


Vor einigen Jahren begann langsam ich immer mehr darunter zu leiden, mitten in einer Großstadt zu wohnen. Ich wurde immer sensibler auf Lärm, Hektik und die vielen Menschen um mich herum. Besonders bewusst wurde mir das alles, als sich bei meinem Rüden immer stärker Verhaltensauffälligkeiten zeigte; Spaziergänge wurde zu regelrechten Spießrutenläufen. Dadurch hab ich recht bald gemerkt, dass nicht nur er, sondern auch ich selbst mit teils massivem Stress auf solche Umweltreize reagiere, unabhängig davon, ob ich mit ihm unterwegs war oder nicht.

 

Irgendwann traf ich dann den Entschluss, dass ich in eine ruhigere Gegend möchte, doch da ich in der Zeit noch in einer Beziehung war und für meinen damaligen Freund ein Leben abseits der Stadt keineswegs eine Option war, wurde es schwierig. Alle Kompromissversuche schlug er aus, nichts war für ihn annehmbar. Dieses Problem löste sich mit der Trennung dann natürlich praktisch von selbst.

 

Nachdem ich dann wieder allein war, musste ich auch auf niemanden anderen mehr Rücksicht nehmen und konnte für mich selbst überlegen, was ich eigentlich will und wo ich mich am Ehesten wohlfühlen würde. Ich beschloss der Großstadt komplett den Rücken zu kehren und – wär hätte es gedacht – irgendwo ins nirgendwo zu ziehen.

 

Die Suche nach einer passenden Wohnung dauerte ewig, da meine finanziellen Mittel lange Zeit für keine der gefundenen Wohnungen reichten. Ich hatte auch einige Anforderungen, dich für mich nicht diskutabel waren und natürlich dementsprechend die Suche erschwerten.

 

Mitte 2019 fand ich endlich sogar zwei Wohnungen, die finanziell und räumlich perfekt passten. Nach Besichtigung von beiden entschied ich mich für die Wohnung im Süden Wiens, da diese zwar am Rand einer kleineren Ortschaft sehr ländlich liegt, aber mit weiteren Orten und Städten in der Umgebung und etwas näher auch an Wien, als die Wohnung im Norden.


Ende November war es dann endlich soweit: der große Umzug!

 

Das war ein unglaublich aufwühlendes und emotionales Erlebnis, weil es aufgrund meiner Tiere und einiger anderer Faktoren zu sehr viel Stress kam, dem ich teils nicht so ganz gewachsen war. Ich konnte vieles im Vorfeld noch nicht richtig vorbereiten, weil meine Hunde und Katzen räumlich getrennt waren und noch sind. Zudem war meine alte Wohnung in Wien deutlich kleiner mit sehr engem Eingang und unpraktisch angelegter Küche, sodass es eine Herausforderung war die paar Möbel, die mit umgezogen sind, hinaus zu bekommen. Und das dreistöckige Altbau-Haus mit Zwischengeschoßen hatte auch noch keinen Lift und ich wohnte ganz oben. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie viel ich geflucht und teils auch geweint hatte, bis wir endlich fertig waren.


Meine neue Wohnung ist räumlich absolut perfekt, im ersten Stock eines kleinen Hauses mit generell nur vier Wohnungen. Ich hatte in meiner alten Wohnung das WC am Gang (Ja, gibt es teilweise in Wien tatsächlich noch) und die Dusche war in der Küche, es gab kein separates Bad. Jetzt hab ich ein richtiges Badezimmer. Meine neue Küche ist riesig, was es mir ermöglicht, sie genau so einzurichten, wie ich es mir immer vorgestellt hatte; ich hab einen großen Side-by-Side Kühlschrank und kann mir in der Mitte eine Kochinsel machen. Meine Katzen haben ein eigenes Zimmer, komplett für sie eingerichtet. Ich hoffe zwar, sie und meine Hunde doch auch mal zusammenlassen zu können, aber unbeaufsichtigt würd ich sie auch dann nie lassen. Und ich hab wieder ein Schlafzimmer. In meiner alten Wohnung bekamen meine Katzen das Schlafzimmer und ich hatte mein Bett im Wohnzimmer, hab also praktisch nur in dem einen Raum gelebt. Jetzt ist alles so viel lockerer und angenehmer.

 

Ein toller Bonus ist, dass ich einen kleinen Garten hinter dem Haus für mich hab, den ich mir selbst gestalten kann. Da kann ich grillen und hab auch schon einiges an Beeren und Gemüse angepflanzt. Der Sitzbereich wird noch schön gestaltet und spätestens nächstes Jahr möchte ich mir einen größeren Teich anlegen, tief genug, dass er winterfest ist; ein natürliches kleines Biotop, in dem dann alles mögliche an Getier leben kann. Alles ist natürlich und möglichst biologisch, keine Chemie, auch keine Kunststoffe. Selbst die Möbel sind komplett aus Eukalyptusholz.

 

Vieles ist – selbst ein halbes Jahr nach meinem Umzug – noch nicht fertig, da meine finanziellen Möglichkeiten sehr eingeschränkt sind. Die neue Wohnung war bei meinem Einzug komplett leer; es waren nicht nur keine Möbel und keine Küche vorhanden, sondern auch keine Böden verlegt und keine Heizung installiert, ich musste also absolut alles von Grund auf komplett selbst machen. Von der Arbeit her kein Problem, ich hab die Wände nach meinen Vorstellungen gestrichen, Laminat für jeden Raum gekauft und selbst verlegt, aber alles nach und nach, da es sich nicht auf einmal ausging. Ich hab aktuell noch kein Sofa, brauch noch einen zweiten Kleiderschrank, hab noch keinen Esstisch und die Küche ist noch nicht komplett. Das stört mich aber nicht, denn dafür hab ich dann am Ende tatsächlich alles genau so, wie es mir gefällt und nicht so, wie es irgendwer vor mir irgendwann mal gemacht hat.

 

Ich freu mich darauf, wenn meine Wohnung und mein Garten dann irgendwann fertig sind. In meiner alten Wohnung hab ich mich nie richtig zuhause gefühlt und auch nicht in der Zeit, die ich bei meinem damaligen Freund gewohnt hab. Kaum in meiner neuen Wohnung – wirklich von der ersten Nacht an – hab ich mich hingegen sofort wohl gefühlt. Obwohl mir noch viele Möbel gefehlt haben, die ersten Wochen auch noch einige Böden nicht fertig waren, die Küche ein einziges Gerümpel, war es trotzdem so, als wär ich schon ewig da, während mir mein Leben in Wien vorkam, als wär es ewig lang her. Es war ein unglaublich befreiendes und aufbauendes Gefühl, endlich wo richtig zuhause zu sein.


Hier ist es so entspannt, kein Stress, keine Hektik, kein Lärm, keine Menschenmengen – einfach nur Ruhe. Das hat nicht nur mir sehr geholfen, sondern auch meinen Hund enorm verändert. Auch er ist plötzlich so viel ruhiger und entspannter. Fremde Menschen regen ihn nicht mehr auf, Besuch ist kein Problem mehr und ich geb ihm kaum noch seinen Maulkorb rauf, weil spazieren gehen so viel entspannter und einfacher ist. Natürlich ist es hier auch für meine Hündin viel angenehmer, aber sie kam in der Stadt auch deutlich besser zurecht als er.

 

Zusammengefasst kann ich sagen, der Umzug von der Großstadt aufs Land war eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Ich vermisse wirklich nichts an Wien und das beste an jedem meiner Besuche in Wien ist immer die Heimfahrt. Natürlich sind meine diversen psychischen Probleme dadurch nicht plötzlich weg, aber es geht mir auf jeden Fall deutlich besser.