Ich durfte mir heut indirekt sagen lassen, ich hätte nicht das Recht, über Themen, die Kinder betreffen, eine eigene Meinung und Sichtweise zu haben, nur weil ich selbst keine Kinder will…
Also dann beginnen wir gleich mal damit, warum ich denn eigentlich keine will:
Nein, ich bin nicht egoistisch, herzlos, gefühllos odgl. Im Gegenteil – denn ich weiß, dass ich einem Kind nicht nur aus finanzieller Sicht nicht gerecht werden könnte, sondern auch und gerade aufgrund meiner emotionalen Instabilität. Ich wäre nicht in der Lage, einem Kind ein sicheres, wohl behütetes und liebevolles Umfeld zu bieten. Dazu kommt, dass ich aufgrund meiner psychisch labilen Verfassung so gut wie keine Stressresistenz hab, sehr launisch bin und äußerst impulsiv handle. Unter solchen Umständen wär es einfach nur über allen Maßen verantwortungslos, ein kleines hilfloses Leben in die Welt zu setzen, welches Jahre lang von mir abhängig wäre und allein nicht überleben könnte.
Und nur, weil ich eine verantwortungsbewusste Entscheidung im Sinn eines möglichen Kindes getroffen hab, hab ich nicht das Recht, eine Meinung zu Themen zu haben, die Kinder betreffen?
Viele Eltern sind einem Kind eigentlich nicht gewachsen, doch zu wenige machen sich noch nicht mal halb so viele Gedanken, wie ich es tat und tu. Zu viele Kinder wachsen mit Eltern auf, die dem Höchstmaß an Verantwortung, die es mit sich bringt, ein Kind in seiner Entwicklung zu begleiten, gar nicht gerecht werden können. Zu vielen Eltern platzt schon beim kleinsten Problem der Kragen. Sie reagieren gestresst und gereizt, wenn das Kind grad nicht so funktioniert, wie es das – irgendwelchen gesellschaftlichen Vorgaben entsprechend – zu tun hätte. Kinder werden angeschnauzt, angeschrien und auch heut noch nicht selten sogar physisch bestraft.
Und jetzt nochmal: nur weil ich selbst keine Kinder will, darf ich die Meinung nicht haben, dass sowas falsch ist? Dass es nicht in Ordnung ist, ein Kind in die Welt zu setzen, welches dann ständig nur verunsichert und geängstigt wird, weil man sich als erwachsener Menschen einem kleinen Kind gegenüber nicht anders zu helfen weiß, als es psychisch und/oder physische zu schädigen? Ich hab nicht das Recht, sowas zu kritisieren?
Gerade in der Kindheit wird der Grundstein für die gesamte Entwicklung gelegt. Und auch wenn Eltern glauben dieses oder jenes vor ihrem Kind verbergen zu können, ein Kind bekommt trotzdem so viel mehr mit, als Eltern oft wahrhaben wollen. Und absolut jede einzelne Erfahrung – ob nun positiv oder negativ – wird im Unterbewusstsein abgespeichert und arbeitet da ein Leben lang. Die Vergangenheit lässt sich nie ändern, nichts lässt sich rückgängig machen oder ausradieren. Dazu kommt, dass vor allem noch kleine Kinder weder die Reife noch das nötige Verständnis haben, um das, was um sie oder mit ihnen passiert, richtig bewerten und verarbeiten zu können. Ein kleines Kind versteht nicht, warum Mama es plötzlich anschnauzt, oder warum es von Papa eine gewischt bekommt… Dabei sollten doch gerade die Eltern mehr als jeder andere auf der Welt für Sicherheit und Geborgenheit stehen.
Psychische Erkrankungen und Störungen nehmen immer weiter zu. Häufig zeigen sich erste Anzeichen bereits im Kindes- oder Jugendalter, doch meist wird das nicht in benötigtem Ausmaß beachtet. Egal, wie sich ein Kind verhält, es wird fast immer damit abgetan, dass es „halt ein Kind“ ist. Zu selten wird wenigstens in Erwägung gezogen, dass tatsächlich ein Problem dahinterstecken könnte. Dabei könnte so vieles abgefangen oder sogar verhindert werden, wenn man der psychischen Gesundheit von klein auf dieselbe Beachtung schenken würde, wie der physischen.
Die meisten erwachsenen Menschen, die sich in psychotherapeutischer Behandlung befinden, sind in einer solchen damit beschäftigt, ihre in der Kindheit gemachten Erfahrungen aufzuarbeiten oder Strategien zu erlernen, um die daraus resultierten (Verhaltens-) Probleme in den Griff zu bekommen. Doch obwohl es längst hinreichend fachlich bekannt ist, dass der Ursprung der meisten psychischen Probleme fast immer in der Kindheit zu finden ist, wird trotzdem noch viel zu wenig dafür getan, bereits früh einzugreifen und sowas zu verhindern.
Ich hab als Hundetrainerin sogar schon die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen tatsächlich ihre Hunde längst besser behandeln als ihre eigenen Kinder. Es ist zwar auch in dem Bereich noch viel Handlungsbedarf, aber ich find es doch sehr befremdlich, wenn jemand voll und ganz verstanden hat, warum Gewalt – egal ob physisch oder psychisch – bei einem Hund fehl am Platz ist und fachlich korrekt mit positiver Verstärkung arbeitet, und dann sagt dieselbe Person im nächsten Moment auf ein „schlimmes“ Kind bezogen, da würde mal nur ordentlich der Hintern ausgehaut gehören… Das kann’s doch nun wirklich nicht sein.
Tut mir leid, aber ich sag ganz ehrlich, wenn jemand ein Problem damit hat, dass ich eine Meinung zu der gesamten Thematik hab und vieles einfach nicht gut finde, dann sagt das doch mehr über die Person aus, die mich dafür kritisiert, als über mich selbst. Denn nur, weil ich mich aus bereits erläuterten Gründen gegen ein eigenes Kind entschieden hab, heißt das noch lang nicht, dass mir deshalb alles, was mit Kindern zutun hat, am Allerwertesten vorbei geht. Gerade aufgrund meiner eignen psychischen Probleme und Erfahrungen weiß ich, wie hart es ist, im Erwachsenenalter mit dem ganzen zurechtkommen zu müssen, was sich über die Jahre und Jahrzehnte angestaut hat. Ich werde auch weiterhin meine Meinung dazu äußern, wenn mir danach ist, denn es ist so wichtig, dass sich da noch so vieles ändert!
Natascha Schlachtner | Kali Recovery