Immer wieder scheint es so, dass gerade von Frauen regelrecht erwartet wird, Mutter werden zu wollen. Und immer wieder stößt man auf Unverständnis und sogar Feindseligkeit, wenn man als Frau sagt, dass man keine Kinder möchte. Dabei waren zwei Arten von Reaktionen bei mir häufig vertreten: eine Art Ungläubigkeit mit Antworten, wie "das ändert sich, wenn du älter wirst" oder auch "wart, bis du den richtigen Partner hast", und Vorwürfe in Richtung "andere wollen Kinder und können keine kriegen". Dann durfte ich mir auch oft sagen lassen, ich wäre herzlos, gefühllos, egoistisch und dass jemand wie ich besser "eh keine kriegen sollte".
Ich bin jetzt 36 und Nein, auch mit dem älter Werden hat sich meine Einstellung nicht geändert; im Gegenteil, sie hat sich sogar noch gefestigt. Mit der Zeit wurde mir immer klarer, dass und warum ich keine eigenen Kinder möchte. Ich hatte auch einen Partner, mit dem es zwischenzeitlich gut genug funktioniert hatte, dass ich mir sogar vorstellen konnte, vielleicht irgendwann mal zu heiraten. Doch Nein, auch die Beziehung hat nichts geändert. Und mal ehrlich: was genau hat ein Mensch, der selbst keine Kinder bekommen kann, davon, dass ich welche in die Welt setz? Die Sinnhaftigkeit dieser Aussage hab ich noch nie wirklich verstanden. Und dass jemand wie ich besser keine Kinder kriegen sollte, ist genau einer der Gründe, warum ich mich bewusst dagegen entschieden hab - allerdings nicht, weil ich gefühllos bin oder so ähnlich, sondern weil ich verantwortungsvoll bin und nicht nur in meinem Sinn, sondern auch in dem eines potenziellen Kindes entscheide.
Die Gründe, aus welchen ich mich bewusst dagegen entschieden habe, sind vielfältig.
Zum einen mal ganz einfach deshalb, weil ich so gut wie keine mütterlichen Gefühle oder Mutterinstinkte zu haben scheine; mir geht nicht das Herz auf, wenn mich ein Kind anlacht und ich zerfließe auch nicht beim Anblick eines Babys. Im Gegenteil, ich fühl mich sehr schnell genervt und gereizt, wenn Kinder in meiner Nähe sind, die sich bewegen und Geräusche von sich geben. Das jedoch nicht, weil ich Kinder generell nicht mag oder gar hasse, sondern einfach, weil ich sehr schnell mit dem Lärm und der Hektik überfordert bin. In Kombination mit meiner Unfähigkeit zu einer adäquaten Emotionsregulierung ist das eine enorme Belastung, der ich nicht lang gewachsen bin. Es heißt zwar immer, bei einem eigenen Kind wäre das ja was anderes, aber was, wenn nicht? Ich kann es schlecht zurückgeben, wenn ich drauf komm, dass es doch nicht passt.
Das führt direkt zum nächsten Punkt: es geht dabei nicht nur um meine eigenen Empfindungen, sondern vor allem auch darum, dass ich einem Kind in keiner Weise gerecht werden könnte. Wie schon erwähnt, hab ich meine Emotionen kaum bis gar nicht im Griff. Ich neige bei Überforderung, Stress oder gerade nicht lösbaren Problemen schnell zu Nervenzusammenbrüchen, Panikattacken oder - am ehesten und zugleich am unvorteilhaftesten - zu Wutausbrüchen. Mir fehlt die emotionale Stabilität, ich hab absolut keine Geduld, kein funktionierendes Zeitmanagement, keine vernünftige Routine und meine finanziellen Mittel reichen meist nicht mal für mich allein. Das ist keine gesunde Basis für eine Mutterschaft.
Ich hasse die Vorstellung, wie viele Eltern tagtäglich ihren Frust, ihren Ärger und Stress an ihren Kindern auslassen, sie beim kleinsten Fehler nur anschreien, beschimpfen, bestrafen - nicht selten auch mittels physischer Gewalt. Ich möchte nie so ein Mensch sein. Ich wäre einfach keine gute Mutter und würde es verantwortungslos und tatsächlich herzlos finden, ein Kind nur aufgrund von gesellschaftlichem Druck oder auch wegen familiärer Erwartungen zu bekommen, wenn ich genau weiß, dass ich kein gutes, sicheres und liebevolles Umfeld bieten kann. Es geht hier schließlich um eine jahrelange Verantwortung für ein Lebewesen, das nicht für sich allein sorgen könnte und über allen Maßen auf mich angewiesen wäre.
Und an dieser Stelle sag ich ganz ehrlich, dass es natürlich durchaus auch egoistischere Gründe gibt. Ich bin nicht bereit, mein Leben - meine Zeit, meinen Alltag, meine Pläne - nach einem Kind zu richten und alles diesem unterzuordnen. Ich möchte nicht darauf angewiesen sein, einen Babysitter zu finden, wenn ich was unternehmen will, oder Pläne kurzfristig zu ändern, weil mein Kind plötzlich krank ist. Ich möchte mir auch keine Gedanken oder Sorgen darüber machen müssen, was mit meinem Kind ist, wenn ich mal wieder in einer Depression festhäng und mich kaum vernünftig um mich selbst kümmern kann, geschweige denn um andere. Darüber hinaus gibt es diverse gesellschaftskritische Themen, die mich selbst als Erwachsene schon nur nerven, ich will mich nicht auch noch für meine Entscheidungen mein Kind betreffend rechtfertigen müssen.
Und zu guter Letzt: was für eine Zukunft würde mein Kind erwarten? Aktuelle Entwicklungen sind doch einfach nur besorgniserregend, nicht nur in Bezug auf dieses ganze leidige Viren-Theater, welches die Zahl psychisch belasteter Kinder deutlich erhöht hat.
Junge Menschen gehen für eine bessere Zukunft auf die Straße und werden dafür von vielen nur ausgelacht oder sogar beschimpft. Zu wenige begreifen scheinbar den Ernst der Lage. Wir machen unseren Lebensraum immer mehr kaputt, leben in einem Übermaß, welchem die Erde nicht ewig standhalten kann; der sog "Earth Overshoot Day" war 2021 bereits am 29. Juli, dh wir haben in knapp über einem halben Jahr die Ressourcen verbraucht, die eigentlich für ein ganzes reichen sollten, leben somit theoretisch "auf Pump".
Millionen von Jahren hat die menschliche Spezies hervorragend mit der Natur gelebt. Seit gefühlt gerade mal einem Wimpernschlag leben wir unbedacht, egoistisch und rücksichtslos nur noch von der Natur. Den Preis zahlen immer mehr die folgenden Generationen. Das wäre nicht das Leben, das ich mir für mein Kind wünschen würde. Ist doch schon mein eigenes Leben alles andere als ideal.
Es gibt einfach so unglaublich viele Faktoren, die man sich sehr gründlich überlegen sollte, bevor man ein Kind in die Welt setzt. Natürlich sind das alles nur meine persönlichen Gründe, die zu meiner persönlichen Entscheidung geführt haben. Doch völlig egal, was für Gründe jemand für oder gegen eigene Kinder hat, jeder hat das Recht, seine eigene Entscheidung zu treffen und diese sollte dann auch von Außenstehenden akzeptiert und respektiert werden. Keiner hat das Recht, jemanden zu verurteilen oder gar zu beschimpfen, nur weil er eine andere Sichtweise hat.
Stimmt, hätten meine Eltern gedacht, wie ich es tu, gäb es mich nicht, aber dann wüsste ich auch nichts davon. Und würden alle so denken, wie ich, würden wir aussterben - ob das nun tatsächlich das schlechteste für die Erde wäre, lass ich mal dahingestellt...
Natascha Schlachtner | Kali Recovery