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Liebe trotz Borderline - geht das?

Nachdem ich die Diagnose Borderline erhielt, wurde mir sehr vieles bewusster, vor allem, was meine zwischenmenschlichen Beziehungen anbelangt. Die falsche Wahl meiner Partner. Die Probleme während meiner Beziehungen. Die Trennungen. Dadurch stellte sich mir die Frage, ob ich denn überhaupt in der Lage bin, eine dauerhafte und glückliche Beziehung zu führen. Und ob ich je einen Partner finde, der mit meiner schwierigen Art umgehen kann und trotz dieser zu mir steht? Werde ich mich irgendwann nicht mehr einsam fühlen?
  
“Emotional instabil” sagt schon recht klar aus, wie es in mir aussieht. Meine Gefühle fahren Achterbahn und ich hab keine Kontrolle darüber. Und egal, was ich fühle, es ist immer ein Extrem. So auch, wenn ich mich verliebe. In Verbindung mit meiner übersteigerten Angst vor Verlust, Ablehnung und Zurückweisung macht es Beziehungen für mich sehr schwierig. Mir ist unter anderem auch bewusst geworden, wie sehr ich mich selbst aufgebe, um es meinem Partner recht zu machen und eine Trennung um jeden Preis zu vermeiden. Und wie viel ich mir gerade von einem Partner gefallen lasse, um bloß nicht wieder allein zu sein.
 
Meine letzte Beziehung dauerte etwa viereinhalb Jahre. In der Zeit gab es so viele Momente, die mir eigentlich hätten klarmachen müssen, dass es nicht passt. Und doch blieb ich so lange mit ihm zusammen. So viele Unterschiede zwischen uns. So viele Streitereien über immer dieselben Themen. So oft hat er mich auf dieselbe Weise durch die immer gleichen Verhaltensweisen verletzt und enttäuscht, und doch blieb ich. Obwohl er mich am Ende sogar betrogen hat, war es dennoch er, der die Beziehung letztendlich beendet hat. Selbst nach diesem hochgradigen Vertrauensbruch habe ich versucht, damit klar zu kommen und die Beziehung doch noch zu retten. Das ist mittlerweile einige Jahre her.
  
Es hat mich sehr viel Zeit und Mühe gekostet, mein Leben halbwegs zu ordnen und mit allem wieder allein klarzukommen. Ich hab lange Zeit niemanden mehr an mich herangelassen, hatte auch kaum die Gelegenheit, jemanden Neues kennenzulernen, da ich mich die meiste Zeit zuhause verkrochen hab. Ohne meine Hunde hätt ich an vielen Tagen vermutlich nicht mal das Bett verlassen, geschweige denn die Wohnung.
 
2017 - kurz vor meiner neuen Diagnose - hat es sich durch einen Zufall ergeben, dass ich jemanden kennengelernt hab, der mich vom ersten Augenblick weg interessiert hat. Solch ein Gefühl hatte ich schon sehr lang nicht mehr. Da kam aber auch schon das nächste Problem hinzu: mein mehr als gestörtes Selbstbild und sehr geringes Selbstwertgefühl. Ich konnte mir erst mal nicht vorstellen, dass dieser gutaussehende, charmante Typ mich überhaupt wahrnimmt - doch das tat er, und es ging alles so wahnsinnig schnell. Ich weiß nicht, wie er es geschafft hat, so leicht an mich ranzukommen. Unsere erste richtige Unterhaltung war über Facebook, wir haben uns Stunden lang über alles Mögliche unterhalten und irgendwie hatte ich bei ihm sehr schnell dieses trügerische Gefühl, ihm vertrauen zu können. Wie sehr man sich doch täuschen kann, wenn man den Fehler macht, seinen Gefühlen zu vertrauen... Es endete so schnell, wie es begonnen hatte und hat mich auch noch eine ganze Weile sehr belastet. Ich hab innerhalb so kurzer Zeit Gefühle entwickelt, die ich so nicht wollte und die mich aus irgendeinem Grund nicht loslassen wollten. Errst im Nachhinein verstand ich, was mit mir los war...
  
Was mich an der ganzen Sache besonders beschäftigte, war die Tatsache, dass ich mich in seiner Gegenwart das erste Mal seit sehr langer Zeit mal nicht einsam gefühlt hab. Ich kann es mir selbst nicht ganz erklären, was gerade an ihm so besonders war, dass ich mich bei ihm so gut und wohl gefühlt hab. Vermutlich fand ich deshalb lang keinen richtigen Abschluss, ich hab mit ihm etwas empfunden, wonach ich mich schon sehr lange gesehnt hatte. Und wieder kam mein übliches Verhalten heraus; ich hab meine eigenen Gefühle überspielt, hab sie mir selbst gegenüber verleugnet. Ich hab mich zurückgenommen, als ich gemerkt hab, dass er sich von mir zurückzieht. Kaum noch Nachrichten, geantwortet hat er auch nicht mehr wirklich. Sein Interesse an mir schien so schnell verflogen, wie es gekommen war. Ich wollte ihn nicht nerven oder bedrängen, also hab auch ich mich nicht mehr gemeldet und gewartet, ob von ihm was kommt. Nach ein paar Wochen hat es mir dann gereicht. Als auf meine Frage, ob er mich überhaupt wiedersehen möchte, wieder keine Antwort kam, hab ich die Sache beendet. Und obwohl es die ganze Zeit nur nach ihm ging, wir uns gesehen und generell Kontakt hatten, wenn es ihm gerade in den Kram gepasst hat, durfte ich mir zum Schluss noch vorwerfen lassen, ich müsse lernen, die Entscheidungen anderer zu akzeptieren, dabei ist doch genau das all die Jahre mein Fehler gewesen; ich ging immer nur danach, was die anderen wollten, statt auch mal an mich zu denken. Und immer war am Ende ich diejenige, die verletzt wurde.
  
Dass ich mehr für diesen Mann empfand, wurde mir erst viel später klar, als es längst vorbei war. Er wollte keine Beziehung und ich war mir zu dem Zeitpunkt sicher, dass ich auch nicht bereit dazu bin. Später wurde mir dann doch bewusst, dass ich mich nur selbst belogen hab, denn wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, wünsch ich mir nichts mehr, als einen Partner, der es wirklich ernst mit mir meint. Jemand, der nicht nur mit mir spielt, mich nicht ausnutzt oder im Stich lässt. Jemand, der für mich da ist, wenn es mir schlecht geht und nicht nur leere Versprechungen macht. Jemand, der mich wirklich liebt, auch wenn ich nicht immer einfach bin und meine Fehler hab. Jemand, der mich nicht aufgibt, wenn es mal schwierig wird - was allein aufgrund meiner Erkrankung schnell mal der Fall werden kann. Ich würde mir so sehr wünschen, mich nicht mehr einsam zu fühlen.
 
Mittlerweile bin ich emotional jedoch an einem Punkt, an welchem ich das Gefühl hab, sowas nie zu bekommen. Wer könnte dauerhaft mit jemandem wie mir zusammenbleiben, ohne selbst verrückt zu werden. Meine Ängste, meine Impulsivität und meine Stimmungsschwankungen sind für mich selbst ja oft schon nur schwer zu ertragen. Wie sollte es da jemand anderes auf Dauer schaffen?
  
Zurzeit denk ich mir, bloß niemanden mehr so nah an mich ranzulassen. Ich wünsch mir zwar einerseits eine glückliche Beziehung, aber diese ständigen Zurückweisungen und Enttäuschungen belasten mich jedes mal mehr, als ich verkrafte. Ich möchte nicht den Rest meines Lebens allein sein, ich möchte jedoch genauso wenig den Rest meines Lebens nur ausgenutzt werden. Irgendwie hab ich das Gefühl, ich kann am Ende doch nur verlieren.

Natascha Schlachtner | Kali Recovery