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Wenn Wissen triggert

Ich bin ein Mensch mit unglaublich vielen Interessen und es kommen auch immer neue dazu. Das führt dazu, dass ich mich mit vielem intensiv beschäftige und auch immer neues lernen möchte, gern auch in Form von Aus- und Weiterbildungen, wenn ich die Gelegenheit dazu bekomm. Letzteres leider nicht immer mit erfolgreichem Abschluss, aber das ist ein anderes Thema für ein anderes Mal...


Heut möchte ich jedoch nicht über das positive sprechen, die Vorteile, die es hat, sich stetig weiter zu bilden und immer neues zu lernen, sondern über die Nachteile, die es mit sich bringen kann, sich fachliche Kenntnisse anzueignen, vor allem, wenn es Inhalte betrifft, die sich stark auf emotionaler Ebene auswirken können. Wenn man nun jemand ist, der ohnehin emotional instabil ist und sehr leicht durch äußere Umstände, Situationen und Erfahrungen belastet - eben getriggert - werden kann, können solche erworbenen (Fach-) Kenntnisse auch einen bitteren Beigeschmack erzeugen. In meinem Fall betrifft das vor allem Hunde. Aber lasst mich hier ein wenig weiter ausholen.


Die ganze Geschichte, wie ich zu meinen eigenen Hunden kam und wie es dazu kam, dass ich kurzfristig sogar vier Hunde hatte, erzähl ich mal extra, denn das würde diesen Text hier ewig lang machen. Wichtig ist, dass sich durch meine Hunde - vor allem durch Raiko - mein Leben grundlegend geändert hat. Zum einen bekam ich sehr viel mehr Verständnis für meine eigenen psychischen Probleme, da Raiko aufgrund seiner unschönen Vergangenheit sehr ähnliche Verhaltensweisen und Probleme mit emotionaler Instabilität, Reizbarkeit und mangelnder Belastbarkeit hatte.

 

Das entscheidende an dieser Stelle ist jedoch, dass ich durch die Tierschutztätigkeit, das Hundesitten und eben vor allem durch das Leben und die Arbeit mit meinen eigenen und den Pflegehunden zum professionellen Hundetraining kam. 2014 begann ich an ersten Vorträgen teilzunehmen, später kamen Ausbildungen und diverse Seminare, Workshops und Kongresse dazu. Von April 2015 bis November 2016 war ich dann auch als Hundetrainerin selbstständig. Diese Selbstständigkeit musste ich vor allem aus finanziellen Gründen wieder beenden, da es nicht einfach ist, in einem solchen Bereich richtig Fuß zu fassen, wenn man keine Basis hat, keine Rücklagen, von welchen laufende Kosten gedeckt werden können.

 

Über die letzten Jahre hat sich meine psychische Verfassung noch weiter verschlechtert, was mir immer klarer gemacht hat, dass ich mittlerweile auch mental nicht mehr in der Lage wäre, dieser Tätigkeit nachzugehen. Und genau hier kommen die Trigger ins Spiel.


In meinen Aus- und Weiterbildungen hatte ich unterschiedlichste Inhalte und Grundlagen aus Bereichen, wie Anatomie, (Verhaltens-) Biologie, Physiologie, Psychologie und Lerntheorie. Dabei hab ich natürlich auch sehr viel darüber gelernt, wie sich verschiedene Erfahrungen und Einflüsse auf die Entwicklung und das Verhalten sowie die physische und mentale Gesundheit der Hunde auswirken. Für einen gewerblich tätigen Hundetrainer sind das alles unabdingbare Kenntnisse - oder sollten es zumindest sein. Leider ist der Beruf Hundetrainer nicht geregelt, ein sog freies Gewerbe, das heißt, es werden keine Fachkenntnisse odgl vorausgesetzt, um als solcher arbeiten zu dürfen. Entsprechend viele inkompetente Hundetrainer gibt es, die unerfahrenen Hundehaltern für mangelhafte, falsche bis hin zu sogar Tierschutz relevante Methoden das Geld aus der Tasche ziehen, was in erster Linie jedoch auf Kosten der Hunde geht. Diese sind es, die durch schlechten, häufig aversiven Umgang Schaden nehmen. Das kann sowohl körperlich sein wie auch in Bezug auf ihr Verhalten. Viele Halter wissen es nicht besser und vertrauen darauf, dass der Trainer doch wissen muss, wie es richtig geht und machen diese falschen Methoden nach. Andere Halter reden sich nur zu gern darauf raus, dass sie doch schon Jahrzehnte Erfahrung haben und ach so viele Hunde hatten, obwohl das nichts aussagt, da man etwas auch schon Jahrzehnte falsch machen kann. Und genau das ist es, was mich immer wieder triggert.

 

Ich seh und erkenn Probleme und falschen Umgang. Und ich seh es jeden Tag bei unzähligen Hunden auf der Straße, wenn ich unterwegs bin, beim Spazierengehen, aus dem Auto heraus, aber auch online auf Social Media. Während ich mir früher, vor meinen Ausbildungen, beim Anblick von Hunden immer dachte, wie süß sie sind, tun mir die meisten heut nur leid, wenn ich seh, wie ihre Halter mit ihnen umgehen. Da spielt es für mich dann auch keine Rolle, ob sie dies aus Unwissenheit tun, aufgrund von Fehlinformationen, oder einfach aus Ignoranz. Und je mehr Probleme Hunde machen - in vielen Fällen Haus gemacht, aufgrund falschen Umgangs - umso ungehaltener und fast schon aggressiver werden viele Halter ihren angeblich so geliebten Tieren gegenüber.

 

Das ist etwas, das ich früher schon nicht nachvollziehen konnte, mich seit dem Verlust meines Rüden Raiko im November 2020 sogar noch umso mehr schockiert und auch belastet.

 

Wie bringt man es fertig, einerseits davon zu schwärmen, wie sehr man seinen Hund doch liebt und sich andererseits so unglaublich gefühllos, empathielos und fast schon kalt ihm gegenüber zu verhalten?

 

Da wird an Halsbändern oder sogar (tierschutzgesetzlich längst verbotenen) Würgern rum geruckt und gerissen, angeschnauzt und angeschrien, körperlich bedrängt, bedroht, mit diversen Straf- und Schreckreizen gearbeitet und nicht selten sogar aktiv und beabsichtigt Schmerzen zugefügt. Und all das wird von den jeweiligen Haltern - und auch entsprechend gewerblich arbeitenden Personen - als "Training" oder "Erziehung" schöngeredet. Doch Fakt ist: daran gibt es absolut nichts schön zu reden oder zu rechtfertigen. Zumal definitiv mit keinem Hund so gearbeitet werden muss, ganz egal, wie sein Verhalten aussieht, welche Größe er hat, mit welcher Vergangenheit er zurechtkommen muss... Leider wollen das noch immer unzählige Menschen nicht verstehen.

 

Da wird dann behauptet, das muss so sein, weil bei diesem und jenem Hund muss man ja mit harter Hand ran, dass er lernt, wer der Boss - der "Alpha" - ist. So ein Schwachsinn! Das einzige, das der Hund durch sowas lernt, ist, dass er seinen eigenen Bezugspersonen nicht vertrauen kann, dass er ständig Angst vor ihnen haben muss und keine Hilfe und Unterstützung von ihnen bekommt um mit seinen Problemen richtig umgehen zu lernen. Ich seh immer wieder völlig verunsicherte Hunde mit deutlichem Meideverhalten ihren eigenen Haltern gegenüber. Sie ducken sich und weichen aus, wenn diese nur näher kommen oder - was häufiger der Fall ist - die Halter sie mehr als unsanft zu sich reißen. Häufig haben diese Hunde auch kaum Bewegungsfreiheit, hängen an viel zu kurzen Leinen, sollen ständig "bei Fuß" neben oder hinter dem Halter gehen. Natürliches Verhalten in Form von schnüffeln und die Umgebung erkunden, ist unmöglich, und auch sich vernünftig lösen wird ihnen kaum richtig gewährt. Und wehe sie wagen es, vor dem Halter gehen zu wollen, dann wird sofort grob an der Leine geruckt, um ihnen klar zu machen, dass sie das nicht zu tun haben.

 

Natürlich sind das die extremeren Fälle und nicht alle Halter sind so. In vielen Fällen wissen sie es einfach nicht besser. Das sind dann eher Kleinigkeiten, die mir halt auch sehr schnell ins Aug fallen. Zum Beispiel Maulschlaufen als Maulkorb-Ersatz, von welchen die Halter oft fälschlich glauben, sie wären angenehmer für den Hund, weil sie aus Stoff sind, dabei können sie in bestimmten Situationen - bei hohen Temperaturen oder auch starkem Stress - sogar lebensbedrohlich werden, weil hecheln nicht möglich ist und es zu einer Überhitzung bis hin zum Kollabieren kommen kann. Und wenngleich ich gutsitzende Geschirre immer über Halsbänder bevorzuge, gibt es bestimmte Formen, die sich negativ bis sogar schädlich auf Gelenke, die Wirbelsäule und auch den Hals auswirken können. Ich kenn die teils erschreckenden Folgen vom Stöckchen oder auch exzessivem Bällchen werfen, bin kein Freund von sog Flexi-Leinen und von Hunden allein vor Geschäften angehängt oder gar im Auto eingesperrt, fang ich gar nicht erst an.


Ich weiß, das Ganze ist ein sehr zwiespältiges und emotionsgeladenes Thema.

 

Die einen werden es nachvollziehen können, weil sie sie es zumindest zum Teil kennen; weil sie lernen oder gelernt haben, wie man tatsächlich fachlich korrekt, auf positive Art und im Sinn des Tierschutzgesetzes mit Hunden arbeitet. Erfolgreich, effektiv und nachhaltig. Sei es, weil sie es aus gewerblichem Interesse gelernt haben, oder auch als Privatperson das Glück hatten, die richtigen Quellen und Trainer zu finden. Und es wird vielleicht auch den einen oder anderen Leser geben, dem das alles ein wenig zu denken gibt und der sich evtl einiges mal genauer anguckt, für das Wohl seines Hundes.

 

Es wird aber auch die anderen geben, die sich von einem solch direkten Text angegriffen fühlen, weil sie all diese Fehler bei ihren eigenen Hunden machen. Und diese wird auch das nicht zum Umdenken bewegen. Sie werden weiterhin glauben, alles richtig zu machen, sehr zum Leid ihrer "geliebten" Hunde, die am Ende doch nur auf Kommando zu funktionieren haben, möglichst ohne eigene Bedürfnisse, ohne eigene Emotionen oder Gefühle. Diese Halter werden weiterhin nichts ändern - dabei wären sie besser beraten, sich Roboterhunde oder Plüschtiere anzuschaffen, statt empfindsame Lebewesen.


Natürlich empfinde ich alles sehr viel stärker als viele anderen Menschen und tu mir bei einigen wenigen Themen, die mir persönlich besonders wichtig sind und daher besonders nah gehen, auch besonders schwer mit solchen Situationen umzugehen. Es verletzt, sowas zu sehen, macht mich aber auch unglaublich wütend und erzeugt zudem eine gewisse Art von Hilflosigkeit. Die wenigen Male, die ich versucht hab, mit Menschen zu sprechen, waren die einzigen Reaktionen Unfreundlichkeit bis hin zu Beleidigungen und Beschimpfungen. Ein paar Leute sind dann sogar erst recht grob zu ihren Hunden, so als müssen sie mir das jetzt extra noch zufleiß machen. Warum? Wie kann jemand sowas mit seinem Gewissen vereinbaren?

 

Wie jemand mit seinen Tieren umgeht, sagt für mich genug über seinen Charakter aus. Ich halt mich von solchen Menschen mittlerweile fern, geh ihnen ganz gezielt aus dem Weg, denn ich musste lernen, dass das Ego der meisten Menschen einfach zu groß ist, um eine vernünftige Unterhaltung zu führen. Man sollte meinen, wenn man erfährt, dass man seinem Hund auf irgendeine Weise schadet, möchte man sich die Hintergründe und Umstände zumindest anhören, schließlich sollte man doch nur das Beste für seine Tiere wollen. Doch dem ist leider in vielen Fällen nicht so. Die meisten wollen einfach auch nicht eingestehen, dass sie Fehler machen, selbst wenn das bedeutet, den eigenen Hund weiterhin darunter leiden zu lassen. Einfach traurig.

Natascha Schlachtner | Kali Recovery