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Ernährungs-"Experten"

Ich hab heut den Beitrag einer Binge Eating Betroffenen gelesen, in welchem sie kurz und knapp zusammengefasst erzählt, wie sich die Essstörung bei ihr entwickelt hat und wie sie sie mittels Therapie in den Griff bekam. Das fand ich grundsätzlich sehr gut, denn gerade Binge Eating ist zwar eine der häufigsten Essstörungen, doch zugleich auch die wohl am wenigsten bekannte. Da begrüße ich es wirklich sehr, wenn sie mehr in den Fokus gerückt wird.

 

Was ich negativ fand, war nicht im Artikel selbst zu finden, sondern in den Kommentaren des entsprechenden Facebook-Posts. Eine Frau, die wohl als Ernährungscoach oder ähnlichem tätig ist, hat erst richtigerweise angemerkt, wie furchtbar es ist, dass Essstörungen so häufig auftreten. Doch gleich im nächsten Satz meinte sie, man solle aufhören irgendwelche Ideale mit Diäten, Low Carb und sonstigen Konzepten anzustreben – und da stellts mir gleich mal die Haare auf! Weiter unten in ihrem längeren Kommentar schreibt sie dann noch, sie würde sich wünschen, dass mit Intervallfasten, Low Carb, Cheatdays, aber auch HIIT und Co endlich Schluss ist.

 

ICH würde mir wünschen, dass sich Menschen, die andere bezüglich Ernährung und Lebensweise beraten, auch tatsächlich richtig auskennen und vor allem den Unterschied zwischen gesunden Ernährungsformen und 0815-Crash-Diäten kennen. Sie ist dbzgl nicht die einzige, die genau das gleiche sagt. Sog Ernährungsberater schießen wie die Schwammerl aus dem Boden und sie alle reden genau das gleiche, machen die gleichen Versprechungen und verteufeln die gleichen „bösen Ernährungsfehler“.


Aber gehen wir die einzelnen Punkte mal durch:

Low Carb ist KEINE Diät, auch wenn es häufig so suggeriert und verstanden wird. Richtig umgesetzt und aufgebaut handelt es sich dabei um eine dauerhafte und vor allem sehr gesunde, deutlich Kohlenhydrat-reduzierte Ernährungsform. Kohlenhydrate sind nichts anderes als Zucker; unterschiedlich lange Ketten von mehreren Zuckerbausteinen, die während der Verdauung in ihre einzelnen Teile zerlegt werden. Im Blut kommen ausschließlich diese einfachen Zucker an, völlig egal, ob das ursprünglich mal ein Stück Kuchen, eine Spaghetti oder ein Vollkornbrot war. Je mehr Kohlenhydrate in Summe gegessen werden, umso mehr Zucker landet am Ende im Blut und umso mehr Insulin muss ausgeschüttet werden, um diese Zuckermengen auch wieder aus dem Blut zu befördern. Grob zusammengefasst handelt es sich bei Low Carb also de facto um eine weitestgehend zuckerfreie Ernährung, was nachweislich diverse positive Effekte auf den Körper und auch die Psyche hat.

 

Intervallfasten kann ebenfalls eine dauerhafte Ernährungsweise darstellen, oder aber auch immer mal wieder eingebaut werden. Grundsätzlich ist fasten etwas für den menschlichen Körper unglaublich Sinnvolles, da wir genetisch eigentlich auch darauf eingestellt sind. Während des fastens – also in Phasen, in denen keine Nahrung gegessen und nur Wasser, ungesüßter Tee und evtl schwarzer Kaffee getrunken wird – hat der Körper keine Arbeit mit Verdauungsprozessen und kann sich auf anderes konzentrieren. Dieser Effekt nennt sich Autophagie und kann als eine Art zelluläre Grundreinigung verstanden werden. Da es vielen Menschen jedoch schwerfällt, mal eben mehrere Tage oder gar Wochen lange Fastenkuren zu machen, ist Intervallfasten eine Alternative, die sich leichter umsetzen und auch in den Alltag integrieren lässt.

 

Das einzige ihrer Beispiele, bei welchem ich durchaus ganz bei ihr bin, sind die sog Cheatdays, die tatsächlich mehr schaden als nutzen. Bei diesen handelt es sich um eingeplante Diät-Unterbrechungen. Egal, wie der ausgewählte Diätplan aussieht, gibt es in regelmäßigen Abständen (meist einmal die Woche) diesen Schummel-Tag, an welchem nach Herzenslust alles gefuttert werden kann, was man will und worauf man die übrige Zeit verzichtet. Das ist aus so vielen Gründen kontraproduktiv und auch dumm, da man sich zum einen seine eigene harte Arbeit zunichtemacht und zum anderen tatsächlich dann erst recht immer mehr die Kontrolle verlieren kann.

 

HIIT ist keine Ernährungs- sondern eine Trainingsform. Hochintensives Intervalltraining. Auch das ist definitiv nichts schlechtes, wenn es in vernünftigem Rahmen durchgeführt wird. Es handelt sich dabei um kurze, jedoch sehr intensive Trainingseinheiten von ca 20 Min, was vor allem für Menschen, die nicht mehrmals die Woche zwei Stunden für ein Fitnesscenter investieren können oder wollen, eine sehr effektive Alternative darstellt. Sofern es keine gesundheitlichen Bedenken gibt, ist an einem solchen Training nichts einzuwenden.

 

Mir ist absolut bewusst, dass nicht jede Ernährungsform auch für jede Person das richtige ist, zumal neben Gesundheit und Genuss ja durchaus auch noch andere, individuelle Faktoren eine Rolle spielen, wie beispielsweise ethische Ansichten oder Unverträglichkeiten. Keiner würde auf die Idee kommen, eine vegane Ernährungsweise mit einer Crash-Diät in einen Topf zu schmeißen, aber mit ebenso dauerhaften Ernährungsformen, wie Low Carb, Keto oder auch Paleo wird das immer wieder gemacht.


Warum mich das so aufregt? Weil es schlicht falsch ist!

Da wird Menschen etwas eingeredet, was so einfach nicht den Tatsachen entspricht. Wie in vielen anderen Bereichen ist es auch bei Ernährungsberatern so, dass jeder im Grunde einfach nur das weitergibt, was er selbst glaubt oder womit er selbst Erfahrungen oder gar Erfolge hat. In den meisten Fällen sind deren Aussagen jedoch lücken- und oft auch fehlerhaft. Dabei ist bei weitem kein langjähriges Studium nötig, um sich die wichtigsten physiologischen Grundlagen anzueignen; wie der Körper die verschiedenen Nährstoffe aufnimmt und verwertet, was er tatsächlich (über-) lebensnotwendig benötigt und was vernachlässigt werden kann. Das sind allgemeingültige Faktoren, die auf alle Menschen zutreffen und die grundlegend die Basis für jede Ernährung sein sollten, egal wie sie am Ende in Summe aussieht. Ob das dann KH-arm sein soll, oder rein pflanzlich, oder ohne dieses und mit jenem ist unerheblich. Das sind dann Feinheiten, die um die Basis herum aufgebaut werden. Wer andere in einem solchen Bereich berät – und vor allem sich dafür auch bezahlen lässt – sollte diese Grundlagen wissen und auch entsprechend anwenden können.

 

Und vor allem: wer sich auf die Fahne schreibt, fachlich in einem solchen Bereich zu arbeiten, sollte in der Lage sein, auch wirklich fachlich korrekte Aussagen zu tätigen, und nicht einfach nur irgendeinen unqualifizierten Mist weitertragen, den zu viele andere bereits von sich gegeben haben. Man muss keine Wissenschaft aus Ernährung machen und man muss sie auch nicht unnötig verkomplizieren, aber man sollte als Ansprechperson für diese Thematik sehr wohl über entsprechendes Wissen verfügen. Alles andere ist zahlenden Kunden - und generell anderen, meist ohnehin verzweifelten und dadurch leichtgläubigen Menschen - gegenüber einfach nur unfair.

Natascha Schlachtner | Kali Recovery